Denk mal!
Die ersten Sonnenstrahlen lassen den Tau heute auf samtgrünen Gräsern glitzern. Ich weiß nicht mehr, weshalb ich viel zu früh aufgewacht bin. Eigentlich bin ich ein Kind der Nacht. Würde das Leben meinem eigenen Rhythmus gehorchen, würde ich tags über schlafen; dafür aber nachts im Licht der Sterne leben.
Heute scheint jedoch alles um 180 Grad gewendet. In die richtige Richtungen, denke ich mit einem Blick in den blauen Himmel. Soweit ich das hier und jetzt beurteilen kann. Der Wind streichelt mein Gesicht sanft; und alles, was ich momentan begreifen kann ist, wie unendlich glücklich ich mich fühle.
Dann, wenn ich wieder einmal in meinem eigenen Tränenbad zu ersticken drohe, will ich mich an diese Sekunden, Minuten und Stunden erinnern. Ich hoffe zumindest, dass die Erinnerung in meinem Kopf mindestens so wundervoll wie die Wirklichkeit wird. Wirklichkeit ... was ist das schon? Das gelbe Rapsfeld vor meinen Augen, die blühenden Mohnblumen die rot und kräftig zwischen duftendem Lavendel ein lebendes Symbol für die Liebe darstellen?
Mein Leben, Wirken, Lieben soll wie diese Mohnblume strahlen. Mohnblumen sind für mich ein Synonym für Sommer, Fröhlichkeit, Leben schlechthin. "Lebe!" höre ich deine Stimme immer noch sanft in meinem Kopf. " ... ich bin für alles das Kräfte und Hoffnungen schafft!" Heute scheinen sich all die bunten Bilder vor meinem Augen und in meinem Kopf zu einem lebendigen, einheitlichen Muster zu verschmelzen. Das Violett des Lavendels. Der Klang deiner von mir geliebten Stimme. Mein Körper mit ausgestreckten Armen, die glitzernden Tautropfen, ich, mich mit dem Wind drehend. Alles was ich bis jetzt mühsam vom Leben erlernt und scheinbar erkannt habe scheint so unendlich wenig im Gegensatz dessen, was mein Herz mir zu fühlen gibt. Ich wünschte, ich würde die richtigen Worte finden, Worte in der Sprache meiner Seele. Doch alles was ich zu tun vermag ist ein schwaches Abbild des so intensiv erlebten in unseren Buchstaben festzuhalten.
Ich will nicht von Unterdrückung, Zweifel, Ungerechtigkeit und Verzweiflung erzählen. In dem Bewusstsein dass in dieser für mich so wunderschönen Sekunden Tausende Menschen weinen, aufgeben oder nicht mehr weiter wissen will ich mich jedoch nicht geben, als hätte ich nie einen grauen Himmel gesehen. Als wüsste ich nicht, wie viele Menschen Tag für Tag verhungern. Den einen fehlt Nahrung für den Körper und den anderen Nahrung für den Geist. Ist es nicht ein lächerliches Spiel, dass so viele nicht leben können, weil sie von der anderen Hälfte Menschen ungerecht behandelt werden; und die Unterdrücker selbst ebenso nicht glücklich leben können, in dem ewigen Gefühl das Leben hätte doch mehr zu bieten; im ewigen Streben nach schnellerem Fortschritt und größerem Besitz? Ein Witz!
Nein, ich sage nicht, das Leben wäre ein Witz. Ganz im Gegenteil; und deshalb bin ich auch heute hier, versuche die Bilder der Natur in Buchstaben zu malen und meine tiefste Überzeugung zu den Menschen zu tragen. "Lebe!" hast du zu mir gesagt und mich auffordernd angesehen. Natürlich verstand ich nicht. "Aber ich lebe doch schon. Ich lebe schon viel zu lange, scheint mir."
Am liebsten hätte ich mir einen Strick um den Hals gelegt und zugezogen. Oder ich wäre von einem dieser verdammten Hochhäuser gesprungen; raus aus diesen Behausungen die Legebatterien gleichen, raus aus der Verzweiflung; nur weg aus der Welt, in der Menschen einander hintergehen, belügen; nur weg aus der Welt, in der anscheinend Erfolg und Aussehen die größte Rolle spielen; nur weg aus der Welt in der Geld an der höchsten Stelle steht. Wo Chefs glauben ihre Angestellten anschreien und schikanieren zu müssen um einer angesehen Wirtschafts- und Wohlstandsgesellschaft gerecht zu werden, wo Ehrlichkeit anscheinend nur benützt wird, wo Mensch nicht gleich Mensch ist.
"Schrei doch, wenn du schreien willst. Lass es raus und lass die Tränen fließen. Aber gib nicht auf. Es ist DEIN Leben; du hast das größte Geschenk des Universums bekommen ..."
Ich weiß nicht, wie lange ich schon hier bin. Meine Uhr liegt wahrscheinlich neben meiner (leeren) Geldbörse zuhause am Schreibtisch vor dem Computer. Zeit spielt jetzt keine Rolle. Ich bin hier und das genügt. Ihr könnt mich nicht umbringen; ich nehme mir für mich selbst genau die Zeit, die ich brauche.
Seltsam eigentlich, Teil von Unerfassbarem zu sein. Ich denke, Menschen werden auch in Zukunft nicht in Worte fassen können, weshalb man lebt (oder nicht lebt). Es ist genauso, wie über das Denken an sich nachzudenken - Versuche in diesen Bereichen sind bislang ja ebenso gescheitert oder in wagen Vermutungen stehen geblieben. Denken, wie Denken funktioniert ist im Grunde der gleiche Prozess wie Denken, wie und weshalb die Welt, das ganze Universum ist. Spüren und Fühlen widersetzt sich allerdings all diesen ungeschriebenen Regeln.
Denken hängt immer so stark von angelernten Mustern und Assoziationen ab. Irrtümer werden oft über Jahrhunderte weitergegeben; die Wahrnehmung ist zumeist verzerrt und Vorurteile werden schnell verankert und abgehakt.
Ich will eigenständig denken. Ich will leben. Ich will ich selbst sein. Ich will lieben und geliebt werden. Ich will die Schönheit um mich herum weiterhin sehen können. Ich will auf eigenen Beinen stehen und gehen. Ich will mich geborgen fühlen in dieser Welt. Ich will meine Träume leben. Ich will mit meinen Talenten einen kleinen Teil zur Schönheit der Welt beitragen, wie ein bunter Faden einer gewebten Decke.
Hört doch diesen kleinen Aufschrei.
Natürlich bin ich mir darüber im klaren, dass dies der schwierige Weg ist. Allerdings auch der einzige der für mein Inneres in Frage kommt. Würde man mich fragen, wenn ich mich gebe, wie mich irgendjemand oder der Rest der Welt scheinbar haben möchte; würde man mich dann fragen, welchen Weg ich einschlagen will; würde wahrscheinlich mein "Äußeres" den geistigen Kampf gewinnen und ich würde mich anpassen an das, was scheinbar richtig ist. Ich würde vernünftig im Büro arbeiten, abends vor dem Fernseher einschlafen und mich zum Wochenende von diesem Alltagstrott besaufen. Ich würde ganz normal und richtig sein. Aber meinen Weg würde ich dann nicht gehen.
Es ist nicht so leicht, aufzustehen und zu sagen: "Nein, ich mache nicht, was alle machen." Ich will eine Schotterstraße die zum Ziel führt auch wenn der Weg allein und steinig ist. Ich will nicht noch während ich lebe dahinsterben als könne man nichts tun; ich will mich selbst nicht aufgeben; ich will selbst denken; ich will leben.
Es ist meine Entscheidung, wie mein Leben verläuft. Meine. Das heißt, ich gedenke für die Fehler Verantwortung zu übernehmen und hoffe daraus zu lernen; das heißt ich verantworte das Schöne, Traurige und Schlechte; das heißt, ich stehe nun hier und versuche meinen eigenen Weg zu finden. Weil eine hirnlose Masse nun mal nicht für mein Leben einstehen kann.
Wie Feuer und Wasser sind wir beide, dachte ich manchmal wenn ich in deine Augen sah. "Ach was," lachtest du dann, als hättest du meine Gedanken lesen können; hast mich noch fester angesehen, an dich gedrückt. "Lass dich nicht von mir abhalten, wenn du gehen musst." sagte ich manchmal, und meinte es ernst. Aber ich bin froh gewesen dass du meistens doch noch geblieben bist.
Es gibt viele Arten "ich liebe dich" zu sagen. Ich hoffe, du hast meine verstanden; meine Sprache ohne Worte. Wenn ich mit dir lachte oder dir manchmal beim Schlafen zusah und über deine Haare strich. Wenn wir uns in die Augen sahen oder von unserer Weltreise träumten.
Hätte ich gewusst, dass sich das Auto überschlägt; ich hätte dir tausend " danke und ich liebe dich" gegeben. Aber wahrscheinlich hättest du mich dann nur verwirrt angesehen und gelacht; mit deiner Art, die so ansteckend war.
Tränen rinnen über meine Wangen ohne dass sich einer meiner Gesichtsmuskeln bewegt. Ich lebe; mit dir in meinem Herzen.
Das Rauschen des Windes in den Bäumen klingt, als hättest du verstanden.
Jeder Abschied ist ein Neuanfang.
Raus aus diesen Behausungen die Legebatterien gleichen, raus aus der Verzweiflung; nur weg aus der Welt, in der Menschen einander hintergehen, belügen; nur weg aus der Welt, in der anscheinend Erfolg und Aussehen die größte Rolle spielen; nur weg aus der Welt in der Geld an der höchsten Stelle steht. Wo Chefs glauben ihre Angestellten anschreien und schikanieren zu müssen um einer angesehen Wirtschafts- und Wohlstandsgesellschaft gerecht zu werden, wo Ehrlichkeit anscheinend nur benützt wird, wo Mensch nicht gleich Mensch ist.
Weg aus dieser Welt die uns krank macht. Aber nicht durch den Tod sondern durch den Willen zu (Über)leben, durch den Willen und Glauben an Liebe und das Gute, der neue Kräfte und Hoffnungen schafft.
Manches das du mir erklärt hast verstehe ich erst jetzt. Es ist, als würdest du meinen Weg mit mir gehen; mich hin und wieder an dich drücken und sagen: "Schön, dass du lebst."
Denk mal, bevor du Bananen aus Ecuador kaufst; denk mal, bevor du einen Menschen anschreist; denk mal, WARUM du dieses oder jenes (nicht) machst; denk mal, was wirklich wichtig ist im Leben; denk mal, wie du dir wünscht dass andere zu dir sind; denk mal, bevor du jemand aufgrund von Hautfarbe, Nationalität oder Aussehen verurteilst; denk mal, wie lange Ehre und Besitz bleiben; denk mal; es ist deine Zeit; lebe.
In melancholischen, einsamen Nächten; wenn ich einmal nicht mehr weiter weiß; will ich dieses Papier auspacken und den Duft der Blumen einatmen; die Erinnerung in meinem Kopf wecken. Ich will all das was mir geschenkt wurde an Menschen, die gerade eine Stütze in ihrem Leben brauchen, weitergeben.
Eine große gewebte Decke beruht nun mal auf Verknüpfungen. Vergiss dieses Fundament des Lebens nicht.
Heute scheint alles um 180 Grad gewendet. In die richtige Richtungen, denke ich mit einem Blick in den blauen Himmel. Soweit ich das hier und jetzt beurteilen kann. Der Wind streichelt mein Gesicht sanft; und alles, was ich momentan begreifen kann ist, wie unendlich glücklich ich mich fühle.