Ich lass' mich fallen, in die Welt, in die Wolken, und ich falle weich ...
Wenn ich versuche, von den letzten Tagen zu erzählen, endet das doch immer damit, dass ich davon spreche, was ich vor Monaten erlebt habe. Vielleicht muss ich erst ein wenig Abstand gewinnen zu dem, das ich getan hab, bis es scheint als wäre es gar nicht ich gewesen, sondern ein Mensch, den es einmal gegeben hat doch der aber längst nicht mehr existent ist. Somit erzähle ich von mir und doch nicht von mir. Weil ja alles anders ist, jetzt. Es ist schwierig, vom JETZT zu sprechen (vor allem auch deshalb, da dieses jetzt sofort Vergangenheit wird)
Durch meine heruntergezogenen Jalousie versucht sich die Sonne einen Weg in mein Heim zu bannen. Es ist Mittag, ich bin soeben aufgestanden, frage mich, ob es wohl wieder geschneit hat und beginne diesen traditionellen Sonntag, der erst nachmittags beginnt. Mein Kopf schmerzt aus unerklärlichen Gründen (obwohl ich endlich wieder einmal richtig geschlafen habe), mein Zimmer befindet sich in unbeschreiblichem Chaos sodass ich mir den Weg von Bett zu Computer erst durch Schulbücher, Zeitungen, Kleidungsstücke und ehemalige Verpackungen suchen muss...
Suchen ... erst gestern habe ich unter massiven Zeitdruck meinen Taschenrechner gesucht. Irgendwo hier muss er sein, ich brauch ihn für diese sch.. Differenzierungen und wenn ich in 5 Minuten nicht aus dem Haus bin, komme ich sowieso nicht mehr von hier weg, Busse warten nicht auf mich. Wer wartet überhaupt auf mich?
Dachte ich, nervös, gestresst, unruhig. Nicht wissen was kommt macht nervös.
Der Rechner lag auf dem Küchentisch. Beim Kaffee trinken entdeckt, wer nicht sucht, der findet. Eigentlich gilt diese Regel immer und für alles. Auch für die Liebe.
Im Radio wird von Nowgorod gesprochen. Ich mag Russland. Ich meine, ich war noch nie dort, aber ich würde gern einmal die Weite dieses Landes sehen, die ganze Strecke der Transsibirischen Eisenbahn fahren, oder so. Ich würd gern einmal durch Moskau spazieren gehn und die Menschen mit Privjet (entschuldigt diese Schreibweise in arabischen Buchstaben) grüßen. Ich würd gern einmal in die Wolga spucken oder an einem Tag an dem die Sonne nicht untergeht in einer warmen Hütte Tee trinken. Vielleicht träume ich mich gerade in Vorurteile und Klischees. Aber ich will nicht über Kommunismus und Armut nachdenken, heute, oder es ist gerade das, was mir diese Menschen dort noch interessanter erscheinen lässt.
Zurück zum Suchen und der Liebe. Braucht jeder Mensch jemanden? Brauche ich jemanden? Habe ich die wahre, einzige Liebe schon erlebt? Gibt's für jeden ein Gegenstück, oder ist Liebe nur ein Kompromiss, der in den seltensten Fällen lange standhält?
Fragen, auf die ich keine Antworten weiß. Wenn etwas in meinem Leben fehlt, dann Antworten. Und das ist auch der Grund, weshalb ich lebe, so lebe. Ich weiß nicht was ich tun würde, wenn ich alle offenen Fragen beantworten könnte. Wäre es gut, sie den anderen dann mitzuteilen? Oder würde ich mich so schockiert und leer fühlen, dass mir nur noch der Tod als Ausweg bliebe? Weil mir das Leben nichts Neues mehr bieten könnte?
Sonne scheint durch mein Fenster, auf meinen Bildschirm und in mein Herz. Sonne im Winter die meine Seele wärmt. Meine Seele, die ich versucht hab, gut verpackt auf den Dachboden zu räumen und eine Weile ruhen zu lassen. Aber es funktioniert nicht. Plötzlich ist sie da, ich bin da, körperlich, geistig, glücklich. Und alles was bleibt ist die Angst, das eben lieb gewonnene zu verlieren, jetzt, später, irgendwann. Die Angst, nein, das Wissen ... es gibt nichts im Leben, das nicht vergänglich wäre. Ich weiß nicht, wie sehr ich mich an etwas festhalten soll.
Ich lass mich fallen, in die Welt, in die Wolken, und ich falle weich ... ich mag den Himmel. Blauen Himmel, Wolkenhimmel, Sternenhimmel. Er gibt mir das Gefühl, frei zu sein, ein wenig. Es ist fast wie bei Russland, die Weite ist es, die mich fasziniert. Das Nicht Wissen wie unendlich das alles wirklich ist, nicht wissen, was kommen könnte, und doch: es ist der Himmel, ich kenne die Wolken und Sterne und Farben, ich kenne das alles und kann mich deshalb ein wenig zuhause fühlen. Ich weiß, dass andere Menschen genauso wie ich ihren Blick zum Himmel heben. Meine Augen, die einfach nur nach oben sehen und an gar nichts denken.
Ich glaube, der größte Fehler, den ich in meinem Leben gemacht hab war, dass ich der Liebe die Weite genommen hab, dass ich das alles auf das, was da war, beschränkt hab. Es ist nicht gut, zu glauben, einen Menschen zu kennen. Denn die Menschen sind genauso wie der Himmel: man wird NIE alles von jemandem sehen oder gar verstehen können. Und das ist eigentlich gut so, denn wie gesagt, ohne das Unbekannte würde ich keinen Sinn zu leben sehen.
Und in die Welt fallen? Als Kind konnte ich das gut. Jedes Kind macht das so wunderbar. Einfach handeln, ohne an morgen zu denken, und trotzdem richtig handeln. Ich erzähle, lache, lebe, weiß nicht was kommt und vielleicht will ich es gar nicht wissen. Nur manchmal liege ich am Boden meines Zimmers und weine, weine. Wenn mich die Einsamkeit einholt. Das Wissen, das mich nie jemand als Ganzes kennen wird, und das Nicht Wissen welchen Teil von mir ich den Menschen offenbaren soll. Das Wissen das nie jemand IMMER da sein wird, das Wissen, alles was vorbei ist kommt nicht wieder.
Baby can I hold you ... eine Tracy Chapman Nummer, die in mir Sehnsucht erwachen lässt, da wäre doch jemand, dessen Atem ich hören könnte wenn ich nachts erwache und es so still ist. Aber ich höre meinen eigenen Atem und halte mich selbst, wenn ich stürze. Ich wünsch mir das jemand da ist, und will doch, dass niemand da ist. Kompliziertes Leben eines Singles mit Kratzern im Herzen.
Es ist 12:56 und ich werde frühstücken gehen. Wie immer. Nein, wie heute. Wie an diesem Sonntag, den seine Unbedeutung sogar ein wenig schön macht. Tja und wer weiß was mich abgesehen von einem Rest Cornflakes noch erwartet ... FM4 Doppelzimmer auf alle Fälle. Wie immer.