Was soll ich sagen? Teil 4.
Es war ein wirklich schöner Morgen. Er wusste es geschickt zu verbergen, aber gewiss war es ein wirklich schöner Morgen, tief in seinem Herzen. Und an eben jenem setzt unsere Geschichte wieder ein. Und zwar in Lübeck. dann überspringt sie einen kurzen Teil des Tages, verlagert sich nach Hamburg, überspringt wieder einiges, erinnert sich dann noch einmal kurz an ihren Anfang, gedenkt kurz der vergessenen Momente, die sie nicht berührt, um sich dann doch langsam dem entscheidenden Teil zu widmen. Und genau ab da hören wir ihr auch zu, denn der Rest interessiert ja nun wirklich keine Sau. Also, psst, und aufpassen, sie schreibt nicht so laut:
"Und so kam also der Held, Fred, und sein treuer Begleiter, Anton, in Österreich an...."
STOP STOP STOP... Viel zu spät. Früher.
"Und so saßen also der Held, Fred, und sein treuer Begleiter, Anton, im Zug nach Österreich..."
STOP STOP... Noch immer zu spät. Früher.
"Und so saßen also der Held, Fred, und sein treuer Begleiter, Anton, in der S-Bahn zum Zug nach Österreich...."
STOP... Jetzt reichts, Geschichte, du bist draußen, ich erzähl den Kram wieder alleine. Weg.
Also. Es war ein wirklich schöner Morgen. Ach nee, den hatten wir ja schon mal. Also: es war ein wirklich nicht mehr schöner Nachmittag. Der Tag hatte eiskalt nicht gehalten, was der Morgen schon geleugnet hatte je versprochen zu haben. Und es konnte nur noch schlimmer werden, denn es stand ja noch eine Bahnfahrt an. Und das klingt bei weitem harmloser, als es tatsächlich klingt. Von seinem Sein mal ganz zu schweigen. Der (noch) einsame Held saß also, wie an jedem anderen Sonntagnachmittag zuvor schon nicht, in seiner Wohnung mit gepackten Taschen für seinen Silvesterkurzurlaub. Das er nach Österreich wollte, braucht man nicht mehr zu erwähnen, das hat der Leser/die Leserin längst aus den anderen drei Teilen erfahren. Also da saß er nun und ging noch mal alles durch:
Kekse? Ja. Klamotten? Ja. Mehr Kekse? Ja. Badutensilien? Ja. Noch mehr Kekse? Ja. Türschlossenteiser?!? Ja, warum nicht. Viel mehr Kekse? Ja, auch das. Sonnenbrille? Warum immer, ja. Massen und Massen an Keksen? JA DOCH! Okok.. Anton? Nein. Kekse? STOP. Da war ein Nein. Auf so was musste man doch gesondert reagieren, oder? Ja, bestimmt musste man. Und wie? ANRUFEN; ANRUFEN. Ok, gut. Also dann: anrufen, Termin machen, vom Bahnhof abholen, erst mal in die Wohnung karren, perfekt. Und weiter in der Liste:
Anton? Ja. Kekse? Jetzt wird's mir zu dumm. Schluss mit Liste. Wird schon alles da sein.
Nach dieser Prozedur musste nun also nur noch das eine oder andere Kilo an Verpflegung, die sich als Marschverpflegung zwar theoretisch gut eignete und die man sich sicher auch in bester Absicht hatte aufschwatzen lassen, vernichtet werden und dann konnte es losgehen.
Und schon ging es los: das Mutmachen. Das sich einreden, es würde schon werden, es wäre ja nur die deutsche Bahn. Das anschließende erste-Hilfe-Programm und das abreagieren von Panikattacken. Das weiter im Takt Reisevorbereitungen treffen und das so-tun-als-ob-man-ankäme-und-danach-also-Pläne-bräuchte. Schließlich gipfelte das Ganze in einem gekonnten Ignorieren der Situation. Und dann war es schließlich soweit. Man musste sich dem letzten Kampf stellen. Man musste sich aufraffen und dem Untergang lachend ins Gesicht springen. Man musste allen Menschenverstand ablegen und jeden Instinkt unterdrücken. Man musste, geleitet nur mehr von dem eigenen Suizidtrieb, seine Sachen nehmen und sich in den Bahnhof begeben, in einen Zug setzen, der nach Aussehen und Fahrtrichtung dem auf den Tickets verzeichneten am ähnlichsten wäre und schon konnte es losgehen. Aber das schlimmste: man musste das ganze JETZT tun. Würg. Ächz. CUT.
Wechseln wir hier den Stil, denn das würde im Realismus zu weit führen. Also:
Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vom Geiste ausging, dass aller Verstand sich ausschalten ließe. Und diese Umnachtung war die allererste und geschah zur Zeit, da der Aufbruch nahe war. Und jeder Verstand ging, dass er sich ausschalten ließe, ein jeglicher zu seinem Hirnteil. [...]Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, sich wieder einzuschalten.
(daselbst bezeichnet den Bahnhof der deutschen Bahn. Diese Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen und Hirnteilen ist beabsichtigt.)
Ok, nun die Bahnhofsszene. Wie beschreibt man so was am Besten? Nun, man stelle sich folgendes vor: ein Ameisenhaufen. Tausende Ameisen. Jede einzelne von sich überzeugt, sie würde wissen, was sie tut, wohin sie will und wohin sie geht und vor allem, was gut für sie ist. Jede einzelne also nicht einem blinden Instinkt folgend, sondern dem eigenen "Verstand". Jede einzelne genau damit beschäftigt, dass zu tun, was der Allgemeinheit sicher am wenigsten nützt und genau dabei noch eine Menge anderer bei genau der gleichen Beschäftigung zu stören. Jede einzelne auf dem Weg, ohne sich über Richtung, Geschwindigkeit, Ziel und Sinn mit sich selbst einig zu sein. Jede einzelne genau so oder bei der Bahn angestellt. Bei denen fiele dann das Bewegen weg.
Gut und wenn man sich einen solchen Haufen Ameisen vorstellen kann, dann lässt man sie auf zwei Beinen stehen, mischt eine Menge Beton, Stahl und Glas zu einer Hülle um sie herum und vergrößert das Ganze über alle Maßen bis ins Lächerliche. Dann hat man schon mal den Bahnhof.
Und nun die Hauptpersonen: mittendrin. Umwuselt. Geschoben. Machtlos. Gut gekleidet. Vollbepackt. Mit Ziel. Und unter Missachtung des selbigen unterwegs.
Nun ja, wie es jeder ungeordneten Bewegung entspricht, erreicht jedes teilnehmende Element irgendwann jeden beliebigen Punkt im durchwegten Raum. So auch wir eine Tür eines Zuges, der wenigstens in Bezug auf die voraussichtliche Fahrtrichtung unseren Vorstellungen entsprach, weswegen wir dann selbige Tür nutzten, um in selbigen Zug zu gelangen. Dann bildeten wir mittels komplizierter Berechnungen Mittelwerte aus den Wagen- und Platznummern, verglichen diese mit unserer Reservierung und wählten sodann die uns am bequemsten erscheinenden Plätze in einem Wagen in der Nähe des "Bordrestaurants", sodass dann die Reise ihren seltsamen Lauf nehmen konnte.
BREAK.
Ich könnte nun erzählen von Gedanken auf der Zugfahrt. Zu der Frage, weswegen Bremen auf der Strecke Hamburg-Hannover liegt, weswegen man in einem Schlafwagen (keine LIEGEwagen) die Plätze solange wechseln darf, bis jemand "Reise nach München" nicht mehr mitspielt. Ich könnte von der Ich-höre-jedes-Wort-Frau erzählen oder von dem Nein-Nicht-Eier-Kellner oder der Servus-Wir-Schliessen-um-zwei-DB-Servicekraft. Aber das würde zu weit führen. Deswegen möchte ich nur noch das wesentliche zusammenfassen:
*** ******* **** ***** ****** ***** , weil ***** **** ***** ****** ***** ****. Und natürlich ***** **** ****** ******* ******** ******* ****. Sogar ***** **** ***** ****** ***** ***** **** **** **** , denn schließlich **** ***** ***** ***!!!!
Und an dieser Stelle ist ein Dank an die Betreiber des Forums fällig. Wenn die etwas zimperlicher wären, dann würden da oben nur noch Sterne stehen nach dem Zensieren.
Was fehlt noch?
Ein kurzer Einwurf über den Idioten, der den Architekten des Münchener Bahnhofs seine Ausbildung hat abschließen lassen, was denselbigen dazu befähigt hat, eben jenen Bahnhof an den Reisenden dieser Welt zu verbrechen.
Die Anmerkung, dass ICs überall auf der Welt gleich unbequem sind, sei man nun in Deutschland oder Bayern.
Der Hinweis an alle, die noch nie in Süddeutschland, Bayern oder Österreich in der Nähe der Grenze zu Bayern waren: Versucht nicht, die Berge zu finden, sie finden euch!
Die Kerbe in der Bettkante der nahezu durchwachten Nächte.
Und die erstaunte Frage, wie wir das gesund hinter uns gebracht haben???
Ok, Geschichte jetzt darfst du wieder:
"Und so kamen also der Held, Fred, und sein treuer Begleiter, Anton, in Österreich an."
Super. Haste toll gemacht. Kriegst nen Keks.